Fragen und Antworten

Fragen und Antworten

Wann ist eine Früherfassung angezeigt?

Eine Früherfassung ist sinnvoll, wenn jemand ununterbrochen arbeitsunfähig ist, ohne dass eine Rückkehr an den Arbeitsplatz absehbar ist oder wenn Hinweise für eine drohende Arbeitsunfähigkeit bestehen. Bei Patienten mit psychischen Leiden können die Hinweise vielfältig sein und z.B. Leistungsminderung, Verhaltensänderungen oder psychosoziale Probleme umfassen.

 

Meldeberechtigt sind:

  • die versicherte Person sowie ihre gesetzliche Vertretung
  • die im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen
  • der Arbeitgeber
  • die behandelnden Ärzte und Chiropraktoren
  • der beteiligte Krankenversicherer
  • der beteiligte Unfall- und Krankentaggeldversicherer
  • die Einrichtungen der beruflichen Vorsorge
  • kantonale Sozial- und Arbeitsämter
  • die Militärversicherung
  • private Versicherungseinrichtungen
  • kantonale Instanzen, die für die Unterstützung von Jugendlichen bei der beruflichen Eingliederung zuständig sind

Die betroffene Person muss immer vorgängig über die Meldung informiert werden. Im Zweifelsfall können Sie im Rahmen der eingliederungsorientierten Beratung mit der IV-Stelle Kontakt aufnehmen

Müssen Mitarbeitende auf Verlangen der Arbeitgebenden ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis vorlegen?

Ja. Wenn ein Arbeitnehmender/eine Arbeitnehmende Rechte wie etwa die Lohnfortzahlungspflicht geltend machen möchte, dann muss die Arbeitsunfähigkeit belegt sein (Zivilgesetzbuch (ZGB), Artikel 8 – Beweislast). Daraus folgt das Recht der Arbeitgebenden, ab dem ersten Tag der Verhinderung ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis zu verlangen, falls der Arbeitsvertrag dies nicht ausdrücklich anders regelt. Wir empfehlen jedoch, bei kürzeren Absenzen im Normalfall kein Arbeitsunfähigkeitszeugnis zu verlangen. Wenn sich bei Arbeitnehmenden die Kurzabsenzen auffällig häufen, sollten direkte Vorgesetzte das Gespräch mit den Betroffenen suchen.

Auf welche Fragen zum Arbeitsunfähigkeitszeugnis muss der behandelnde Arzt Auskunft geben?

Grundsätzlich ist die Ärzteschaft an das Arztgeheimnis gebunden. Zu den folgenden Fragen muss sie aber Auskunft geben:

  • Dauer der Arbeitsunfähigkeit inkl. Anfangs- und Enddatum oder wenn noch kein Ende bestimmt werden kann, wann die nächste Beurteilung geplant ist
  • Grad der Arbeitsunfähigkeit: Besteht eine Einschränkung auf Präsenz oder Leistung
  • Handelt es sich um eine Krankheit oder einen Unfall
  • Welche konkreten Tätigkeiten bei Teilarbeitsfähigkeit möglich resp. nicht möglich sind (Hilfsmittel: REP)

Bei längeren Abwesenheiten ist es für die Ärzteschaft nicht einfach, eine Prognose über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit abzugeben. Hier kann ein Gespräch aller Involvierten (Arbeitnehmende, Ärzteschaft, Arbeitgebende, evtl. Sozialversicherungen) für eine Standortbestimmung Sinn machen.

Was ist der Sinn der Teilarbeitsfähigkeit und wie wird diese interpretiert?

Sobald der oder die Mitarbeitende in der Lage ist, eine Teilleistung zu erbringen, ist die Frage nach einer Rückkehr zum Arbeitsplatz in Teilzeit zu klären. Dabei bezieht sich die Einschätzung immer auf die Tätigkeit, welche er oder sie bis vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit ausgeübt hatte. Mit der Beurteilung wird geklärt, welche Leistung der oder die Arbeitnehmende in welcher Zeitspanne erbringen können. Zwei Beispiele dazu:

  • 50% Arbeitsfähigkeit = 50% Leistung bei voller Präsenzzeit (Normalfall, sofern nichts anders auf dem Arbeitsunfähigkeitszeugnis vermerkt)
  • 50% Arbeitsfähigkeit = Halbe Präsenzzeit bei 100% Leistung – z.B. am Morgen – (muss jedoch explizit von der Ärztin, vom Arzt vermerkt sein)

Bei der Beurteilung ist auch eine Kombination zwischen Präsenz und Leistung möglich. Die Anwendung des Ressourcenorientierten Eingliederungsprofils (REP), das eine Arbeitsplatzbeschreibung der oder des Arbeitgebenden beinhaltet, erleichtert der Ärzteschaft die Festsetzung der Teilarbeitsfähigkeit. Der Einsatz eines REP-Formulars kann auch von der Ärzteschaft oder den Arbeitnehmenden beim Arbeitgebenden angeregt werden.

In der Regel stellen Arbeitgebende das REP der behandelnden Ärztin, dem behandelnden Arzt zu. Für Teilzeitpensum gilt das Gleiche wie bei einem Vollzeitpensum. Hier ein Beispiel für ein 50% Pensum: Halbe Präsenzzeit bei 100% Leistung = wenn der oder die Arbeitnehmende nur die Hälfte der üblichen Arbeitszeit (also statt die halbe Woche nur einen Viertel der Woche) präsent ist, jedoch während dieser Zeit voll arbeitet. Die Vorteile einer schrittweisen Arbeitsaufnahme liegen auf der Hand. Arbeitnehmende können auf diese Art schonender an den Arbeitsplatz zurückkehren, was dem Heilungsverlauf oft dient. Arbeitgebende profitieren vom früheren Arbeitseinsatz und indirekt auch von den tieferen Taggeldern. Denn: Je mehr Taggelder fliessen, desto höher sind in der Regel die Versicherungsprämien. Wenn Arbeitnehmende ihr Teilzeit-Pensum sowohl zeitlich wie auch leistungsmässig wieder uneingeschränkt ausführen können, so besteht volle Arbeitsfähigkeit, nicht jedoch zwingend volle Erwerbsfähigkeit.

Hat die Wiederaufnahme der Arbeit in einem Teilzeitpensum bei vorhandener Teilarbeitsfähigkeit Auswirkungen auf die Frist des Kündigungsschutzes bei Krankheit und Unfall?

Nein. Gemäss Art. 336c Abs. 1 lit. b OR darf der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis (nach Ablauf der Probezeit) nicht kündigen, während der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden durch Krankheit oder durch Unfall ganz oder teilweise an der Arbeitsleistung verhindert ist, und zwar im ersten Dienstjahr während 30 Tagen, ab zweitem bis und mit fünftem Dienstjahr während 90 Tagen und ab sechstem Dienstjahr während 180 Tagen. Die Erschwernis beim Finden einer neuen Stelle kann bei hundertprozentiger und bei teilweiser Arbeitsverhinderung gleichermassen gegeben sein. Deshalb sieht das Gesetz vor, dass auch bei Teilarbeitsunfähigkeit die Sperrfrist läuft. Im Unterschied zur Rechtslage bei der Lohnfortzahlung bei Krankheit verlängert sich aber die Sperrfrist nicht proportional bei Teilarbeitsunfähigkeit.

Was können Arbeitgebende unternehmen, die mit dem Arbeitsunfähigkeitszeugnis nicht einverstanden sind?

Idealerweise suchen Arbeitgebende zuerst das Gespräch mit den Arbeitnehmenden, um Unklarheiten anzusprechen. Falls man keine Lösung findet, ist die telefonische Kontaktaufnahme mit der behandelnden Ärztin, dem behandelnden Arzt sinnvoll, wenn die Fragen nur formal das Zeugnis betreffen. Brauchen Arbeitgebende mehr Auskunft, so müssten Arbeitnehmende die Ärzteschaft von der Schweigepflicht entbinden. Als nächste Option vor dem Rechtsweg ist der Beizug einer Vertrauensärztin, eines Vertrauensarztes möglich. Dies erfolgt klassischerweise über die Krankentaggeld- oder Unfallversicherer.

Können Arbeitgebende Arbeitnehmende zu einer vertrauensärztlichen Untersuchung zwingen?

Die Arbeitnehmenden haben das Recht, eine vertrauensärztliche Zweitmeinung einzuholen. Der Arbeitnehmende kann jedoch dazu nicht gezwungen werden. Damit Streitigkeiten vermieden werden können, wird empfohlen, dies im Arbeitsvertrag oder -reglement konkret zu regeln, da die vertraglichen Bestimmungen zwischen Arbeitgebenden und der Versicherung nicht automatisch auch für Arbeitnehmende rechtswirksam sind. Auch haben Arbeitgebende gemäss geltender Praxis das Recht, die Vertrauensärztin, den Vertrauensarzt für Arbeitnehmende zu bestimmen. Es wird jedoch empfohlen, den Arbeitnehmenden eine Auswahl (zwei oder mehr) zu geben. Eine Weigerung der Arbeitnehmenden, sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung zu unterziehen, hat zur Folge, dass seine Arbeitsunfähigkeit unter Umständen nicht mehr belegt werden kann (Hinweis Art. 8 ZGB). Dies kann arbeitsrechtliche Konsequenzen, bis hin zu einer Kündigung, haben.

Wie kommen Arbeitgebende zu einer Vertrauensärztin, einem Vertrauensarzt?

Krankentaggeld- und Unfallversicherer verfügen in der Regel über Vertrauensärzte. Daher empfiehlt sich die Kontaktaufnahme mit dem zuständigen Versicherer.

Dürfen Arbeitnehmende trotz vorliegender Arbeitsunfähigkeit arbeiten?

Im gegenseitigen Einverständnis ist eine Arbeitsaufnahme trotz vorliegendem Arbeitsunfähigkeitszeugnis möglich. Voraussetzung dafür ist, dass die Arbeit den Beschwerden des Arbeitnehmenden angepasst ist und dass sie den Heilverlauf nicht negativ beeinflusst. Am einfachsten holen sich Arbeitgebende das Einverständnis der Ärzteschaft. Oder man bespricht das Vorgehen vorgängig mit dem zuständigen Kranken- oder Unfallversicherer und holt allenfalls eine schriftliche Bestätigung dafür ein.

Dürfen Arbeitnehmende trotz einer vorliegenden Arbeitsunfähigkeit (Ferienfähigkeit) in die Ferien? Gehen die Ferien zu Lasten der Arbeitgebenden?

Sofern Ferien keinen negativen Einfluss auf den Heilverlauf haben, dürfen diese angetreten werden. Es empfiehlt sich dabei, den zuständigen Versicherer zu informieren. Ferien dienen dem Zweck der Erholung. Wenn sich jemand in seinen Ferien erholen kann, ist er ferienfähig und hat in der Regel keinen Anspruch auf Nachbezug von zusätzlichen Ferientagen. Kleinere Unpässlichkeiten (z.B. leichtes Unwohlsein, übliche Kopfschmerzen etc.) genügen nicht, um den Erholungszweck merklich zu beeinträchtigen. Werden Arbeitnehmende während den Ferien krank oder erleiden einen Unfall, empfiehlt sich die rasche Kontaktaufnahme mit dem oder der Arbeitgebenden. Dies vermeidet Unstimmigkeiten nach den Ferien. Ein Beispiel wäre ein Arbeitsversuch bei voller Arbeitsfähigkeit.

Benötigt die Arbeitnehmerin ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis, wenn sie eine Arbeitsunfähigkeit während der Schwangerschaft geltend macht?

Auch ohne Arbeitsunfähigkeitszeugnis kann die schwangere Arbeitnehmerin die Arbeit teilweise oder ganz einstellen (Arbeitsgesetz (ArG) Art. 35a, Absatz 2). Die Lohnfortzahlungspflicht für Arbeitgebende besteht, sofern die Arbeitsniederlegung aus gesundheitlichen Gründen erfolgt. Arbeitgebende können ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis verlangen. Die Dauer der Lohnfortzahlung richtet sich wie bei Krankheit nach Anzahl Dienstjahren. Weitergehende Regelungen sind möglich.

Was können Arbeitgebende machen, wenn Arbeitnehmende einen Tag nach der Kündigung mit einem rückwirkenden Arbeitsunfähigkeitszeugnis kommen?

In einem solchen Fall ist es sinnvoll, nach Einholen der Entbindung von der Schweigepflicht, den Kontakt mit den Ärzten zu suchen und die Frage zu klären, warum eine rückwirkende Arbeitsunfähigkeit attestiert wird, obwohl der/die Arbeitnehmende am fraglichen Tag gearbeitet und die Kündigung erhalten hat. Es ist in der Praxis umstritten, ob eine Kündigung rechtswirksam ist, wenn jemand trotz eines Arbeitsunfähigkeitszeugnisses am Kündigungstag gearbeitet hat. Deshalb sollten die Beweggründe der Ärzteschaft abgeklärt werden, wieso eine rückwirkende Arbeitsunfähigkeit festgelegt wurde. Aus Sicht der Ärzteschaft empfiehlt es sich die genauen Gründe zu erfragen, weshalb eine rückwirkende Arbeitsunfähigkeit attestiert werden soll. Insbesondere soll auch die Frage geklärt sein, wann Patienten zum letzten Mal gearbeitet haben. Gerade wenn es um eine Kündigung geht, sind diese Fragen zentral. Idealerweise wird die Ausstellung der rückwirkenden Arbeitsunfähigkeit begründet. Auch wenn Arbeitnehmende die Ärzteschaft nicht von der Schweigepflicht entbindet, macht es Sinn, dass Arbeitgebende sie über die Kündigungssituation informieren. Ein möglichst vollständiges Bild der aktuellen Arbeitsplatzsituation unterstützt die Ärzte bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit.

Ist ein Arbeitsunfähigkeitszeugnis notwendig, wenn ein Elternteil zu Hause bleibt, um sein krankes Kind zu pflegen?

Ja. Arbeitnehmende haben, falls verlangt, ein ärztliches Zeugnis der behandelnden Ärzte des Kindes vorzulegen. Je nach Alter und Gesundheitszustand des Kindes kann die Abwesenheit der Arbeitnehmenden bis zu drei Tage (pro Fall) dauern, in besonders schwerwiegenden Fällen sogar länger. Diese Tage dienen auch dazu, um eine Betreuung für die nachfolgenden Tage zu organisieren. Für die Lohnfortzahlungspflicht gelten die gleichen Regelungen wie bei Krankheit. Firmen-Reglemente und Gesamtarbeitsverträge können andere Lösungen vorsehen.

Hilft das Absenzenmanagement bei der Senkung der Absenzendauer?

Ein aktiv gelebtes Absenzenmanagement der Führungskräfte hilft mit, die Zusammenarbeit mit den Ärzten zu optimieren und die Absenzendauer zu senken. In längerdauernden Fällen ist es sinnvoll, den Arbeitnehmenden eine den Beschwerden angepasste Tätigkeit anzubieten und das Gespräch zwischen allen Parteien zu suchen.